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Über die Unvoreingenommenheit von Kindern im Denken.

An diese Anekdote erinnere ich mich immer wieder gern:

Unsere Jüngsten sind mit einem sehr feinen Sensorium ausgestattet, um Situationen gut erspüren zu können. So auch meine Enkelkinder.

Beim einem Familienfest vor einigen Jahren kam diese Sensibilität – für die Anderen nicht bemerkbar – aber für mich sehr bedeutungsvoll, zum Ausdruck. Alexander, mein ältestes Enkelkind, saß neben mir, als ich mit dem Strohhalm meine Suppe zu mir nahm. Der letzte Rest konnte jedoch nur durch das Kippen des Tellers aufgenommen werden. Es gelang mir nicht so recht. Alexander beobachtete kurz mit konzentrierter Miene die Situation.

Plötzlich spürte ich, wie sich die kleine Kinderhand unter meinem Arm durchschob und meinen Teller ganz selbstverständlich und unbemerkt in die richtige Position brachte, sodass ich meine Suppe leicht austrinken konnte. Anschließend stellte er den Teller ab, legte meinen Strohhalm zur Seite und löffelte seine Suppe weiter. Als ich ihm Danke ins Ohr flüsterte, grinste er mich verschmitzt mit seinen strahlenden blauen Augen an und sagte: „Bitte Oma!“

Kinder sind von Haus aus unkompliziert und unvoreingenommen im Denken. Das können wir Erwachsene von den Kindern lernen. Alexander (damals sieben Jahre) und die Zwillinge Hannah und Lena sind mit einer Oma im Rollstuhl (in der Bewegung an den Armen und Beinen stark eingeschränkt) groß geworden. Sie nehmen mich als eigenständige Person wahr und unterstützen mich ganz intuitiv bei meinem selbstbestimmten Leben.

 

Zur Person:

Silke Kropacek ist seit einem Autounfall 1996 auf die Dienste eines E-Rollstuhls angewiesen. Sie ist Initiatorin der Selbsthilfegruppe „Anders“.

SHG-Anders - Silke_Kropacek